Sprinter in Not – vom Aussterben und Bewahren
Der Gepard (Acinonyx jubatus) ist das schnellste Landsäugetier, er beschleunigt von 0 bis 90 km/h in unter 3 Sekunden und erreicht als Höchstgeschwindigkeit 110-120 km/h, die er jedoch nur etwa 400 m aufrecht erhalten kann. Der Gepard muss sich also recht nahe an seine Beute heranschleichen und die Entfernung bis zum „kill“ gut abschätzen. Egal ob die Katze eine Beute erwischt hat oder nicht, muss sie nach dem Sprint rasten und sich erholen, weil sie sonst an Überhitzung sterben würde! Dieses „Herunterfahren“ und wieder zu Kräften kommen dauert etwa 20 Minuten. Hat die Katze eine Beute erlegt, kommen in diesen 20 Minuten Hyänen, Löwen oder sogar Leoparden und nehmen ihr die Beute weg – und im Zweifel landet der Gepard selbst auf der Speisekarte! Der Gepard ist tagaktiv. Aufgrund der Überhitzungsgefahr jagt er aber am liebsten am Morgen und am Abend. Die schönen Katzen sind Einzelgänger, daher sind Gepardinnen alleinerziehende Mütter. Die Jungen eines Wurfs – vor allem Brüder – bleiben noch einige Zeit zusammen, sobald sie sich von der Mutter abgenabelt haben. Aber später gehen auch sie getrennte Wege. Beobachtungen und Schätzungen ergeben, dass nur etwa einer von fünf Beutezügen ist erfolgreich. Daran sieht man, welche Kraftanstrengung die Jagd für einen Gepard bedeutet (vor allem für eine Mutter, die Junge zu versorgen hat!), und dass diese Art zu jagen ziemlich uneffektiv ist! Das ist einer der Gründe, warum sie so selten geworden sind. Der Gepard ist ein Sprinter, kein Kämpfer. Er ist nicht kräftig genug, um sich gegen andere Beutegreifer zu behaupten, selbst ein ausgewachsener Mensch kann sich gegen einen Geparden körperlich erfolgreich verteidigen. Gepardenjunge werden ein „Snack“ für Hyänen oder Schakale, obwohl sie durch ihr Welpenfell gut getarnt sind und sich verstecken, sobald die Mutter sie alleine lassen muss. Von einem Wurf Geparden mit etwa vier bis fünf Jungen erreichen vielleicht nur ein oder zwei das zweite Lebensjahr, und kann somit in die Welt hinausziehen.

Der ganze Körper ist auf diese Sprinttechnik ausgelegt. Die Krallen sind abgestumpft und kaum einziehbar, um mehr „grip“ zu geben, eher wie Spikes an Laufschuhen. Die einzig scharfen Krallen sind die „Daumenkrallen“, damit können sie die Beute festhalten und wie mit einem Skalpell „öffnen“. Der gesamte Körper ist aerodynamisch gebaut. Auf einen kleinen Kopf folgt ein großer Brustkorb mit einem leistungsfähigen „Sportlerherz“, das in kurzer Zeit eine Menge Blut pumpen kann. Selbst der lange Schwanz hat eine Funktion als „Steuerruder“, womit der Gepard in der Lage ist, 90-Grad-Wendungen zu machen ohne merklich an Geschwindigkeit zu verlieren.
Auch die schwarzen „Tränenstreifen“ haben ihren Sinn, denn sie gelten als Reflektionsschutz gegen das Sonnenlicht. Die neuere Forschung geht jedoch davon aus, dass sie der innerartlichen Kommunikation, insbesondere der „Verstärkung“ der Mimik dienen – sowohl beim Blinzeln als auch beim Ruf, weil sich die Streifen durch das Hochziehen der Oberlippe verschieben. Geparden haben nach meiner Erfahrung wenig Mimik und ein eher „starres“ Gesicht.
Wie der Gepard zu seinen Tränenstreifen kam:
Ein fauler Jäger habe einen Wurf junger Geparden gestohlen, um diese zur Jagd einzusetzen. Als die Mutter das Verschwinden ihrer Kinder bemerkte, weinte sie einen ganzen Tag und eine ganze Nacht, bis ein Stammesangehöriger sie hörte. Daraufhin erfuhr er von der Gepardenmutter, was geschehen ist. Der Mann erzählte es dem Stammesältesten und der Jäger wurde daraufhin aus dem Dorf verbannt, weil er ehrlos andere Hilfsmittel zur Jagd benutzen wollte anstatt seine eigene Kraft. Die Jungen wurden ihrer Mutter zurückgegeben, aber die Tränen haben sie für ihr ganzes Leben lang gezeichnet – und all ihre Nachfahren.
(Legende der Zulu)
Auf den Schattendächern „unserer“ Geparden im Zuchtprojekt liegt häufig Kot. Dies sind Reviermarkierungen! Auch im Freiland setzen Geparden Kratz-, Urin- und Kotmarken an strategisch wichtige Stellen, beispielsweise ihre „Spielbäume“ (Aussichtspunkte).

Sie können schlecht klettern (nur die Jungen turnen manchmal auf den Spielbäumen herum) und auch auch das Hochspringen ist nur schwach ausgeprägt. Daher müssen unsere Gehege nicht überdacht werden. Auf der Farm haben wir zwar Elektrozaun, aber der war in „meiner“ Zeit nie angeschaltet. Denn wenn ein Gepard einmal Erfahrung mit dem Stromfluss gemacht hat, respektiert er die Grenze im Regelfall dauerhaft – und so halten es sogar unsere „wilden“ Zuchtgeparden.
Man schätzt, dass es in Südafrika noch etwa 1.000 Geparden gibt. Weltweit sollen es etwa 10-12.000 sein, Tendenz sinkend. Der asiatische Gepard steht mit ein paar hundert Exemplaren kurz vor der Ausrottung. Die uneffektive Jagdtechnik und der verhältnismäßig enge Genpool, dazu die zersplitternden Populationen lassen die Bestände schrumpfen und so dient jedes Zuchtprojekt dem Erhalt dieser wunderschönen Katzen.
Leider ist die Zucht von Geparden nicht einfach. Während sich Löwen sehr schnell verpaaren und Nachwuchs großziehen, ist das Liebesleben der Geparde eher kompliziert. Nur wenn sich Kater und Kätzin gut verstehen (vermenschlicht könnte man durchaus von „Liebe“ sprechen), erlaubt die Kätzin die Paarung. Und selbst dann ist nicht gesagt, dass die Kätzin auf- und die Welpen später annimmt. Denn Geparde sind sehr sensibel und töten ihre Jungen, wenn sie sich gestört oder gar bedroht fühlen. In einigen Zuchtprojekten werden daher die Jungen etwa ab dem 10.Tag in menschlicher Obhut großgezogen. Nach ein paar Monaten entscheidet es sich, ob das Tier für ein Auswilderungsprojekt infrage kommt oder beispielsweise in einen Zoo abgegeben wird. Das südafrikanische Tierschutzgesetz (wie auch das deutsche) schreibt vor, dass keine lebenden Wirbeltiere verfüttert werden dürfen. Deswegen gibt es bei uns auch nur tote Hühner oder anderes Fleisch. Gepardenjunge, die zur Auswilderung vorgesehen sind, kommen nach der „Milchphase“ daher in eine andere Station, die diese Tiere gezielt auf die Auswilderung vorbereitet, an die Jagd auf lebende Beute gewöhnt und der Kontakt zu Menschen immer weiter zurück gefahren wird. Solche Auswilderungsstationen gibt es nur sehr wenige im südlichen Afrika.

Ein handaufgezogener und in menschlicher Obhut verbliebener Gepard wird niemals mehr ganz „wild“, sondern bleibt sein Leben lang zahm, eher wie ein Hund. Daher hatten beispielsweise die alten Ägypter und Sumerer Geparden als Jagdgefährten. Ein zahmer Gepard bringt die Beute sogar zum Menschen! Aus diesem Grund wird der Gepard auch „Jagdleopard“ genannt. Natürlich behalten sie ihre Instinkte, wie unsere Hauskatzen auch. So sind die zahmen Geparde durchaus interessiert an Nutztieren, sich schnell bewegenden Kleinkindern oder Kleinwild und Vögeln, die sich in die Gehege verirren. Ein zahmer Gepard kann kaum jemals ausgewildert werden, selbst wenn er jagen gelernt hätte. Denn er würde immer freundlich auf Menschen zugehen – und das wäre auf Farmland sein Todesurteil! Denn trotz Schutzstatus kann eine große Katze abgeschossen werden, wenn man vermutet, dass sie sich an Nutztieren vergreift. Immer mehr Farmer erklären sich jedoch bereit, dass die „Problemkatzen“ oder zumindest ihre Jungen eingefangen und umgesiedelt werden.
Geparden sind übrigens die einzigen „großen“ Katzen, die schnurren,während die Angehörigen der Großkatzen-Gruppe zur Begrüßung und als Wohlfühllaut „schnauben“. Geparden brüllen auch nicht, sondern haben einen eigentümlich sanften Ruf. Sie sind sehr „leise“, der vogelähnliche Ruf gilt höchstens den Jungen oder einem Partner. Die frühe Wissenschaft hat übrigens den Gepard aufgrund seiner vielen „Hunde“-Eigenschaften (wie die Krallen und die Zähmbarkeit) bei den Caniden (Hundeartigen) eingeordnet. Heute sieht man ihn eindeutig als Katze – aber weil er so speziell ist, bildet er eine eigene Art innerhalb der Felidae.
Andrea C. Schäfer,
Tierpsychologin in Meerbusch, hat im November 2012 in einem Gepardenzuchtprojekt in Südafrika mitgearbeitet.
http://www.thp-schaefer.de
Erstveröffentlichung in „CanisUnd“ 02/2013
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